Wie uns Krisen für die Zukunft stark machen

In der Corona- und Nach-Coronazeit erleben wir derzeit die ganze Krisenpsychologie: Angst, Niedergeschlagenheit, Wehklagen, Anklagen, Schuldzuschiebungen, Verleugnung, Wut, Verwirrung, Machtlosigkeit, Chaos, Besserwisserei, Gelassenheit, Hoffnung… und vor allem ungeahnte Kreativität.


Wenn wir aus den gewohnten Bahnen herausgerissen werden, müssen wir uns arrangieren, Erfindergeist zeigen und improvisieren. Plötzlich rücken Perfektionismus, Kontrollsucht oder Effizienzsteigerung in den Hintergrund.


Unvermittelt sind Dinge möglich, die man vor Monaten noch als unbrauchbar, ineffizient, unmöglich oder absurd abgetan hat. Vieles bewährt sich, manches weniger aber man hat etwas ausprobiert und ist zu Erkenntnissen gekommen.


Homeoffice; Fernunterricht; Videoberatungen; Telefoncoachings; Yogaunterricht per Direktschaltung; Nachbarschaftshilfe; Profi-KöchInnen, die zu jemandem nach Hause gehen, um sie zu bekochen; Kaffeemaschinen-Hersteller, die von einem Tag auf den anderen mit Kaffeemaschinenbauteilen Beatmungsgeräte herstellen… sind nur einige Beispiele dafür. Viele entdecken neue, oder verschüttete Potenziale und machen etwas daraus.


Doch wir realisieren auch wie angenehm es früher war und wünschen uns, dass es möglichst schnell wieder so wird, wie es war, nämlich komfortabel, bequem, sicher und perfekt. Viele arbeiten emsig daran, die alten Zustände wiederherzustellen, damit wir uns den Schweiss von der Stirn wischen und sagen können: «Ist gerade nochmal gut gegangen!» Das Pendel hat ausgeschlagen und nun droht es wieder zum tiefsten Punkt zurückzukehren, weil der Antrieb der Krise fehlt.


Schade dass wir dabei vergessen, wie hoch der Preis für den Komfort war und dass wir – wenn alles wieder so kommt, wie es war – nichts aus der Krise gelernt haben.


Unter anderem habe ich ganz persönlich erfahren, dass es mir besser geht und ich wieder ideenreicher werde, wenn ich es ruhiger nehmen, mehr in der Natur sein und mehr Sport treiben kann. Wir haben neue Koch-Rezepte ausprobiert, weil wir nicht mehr ins Restaurant essen gehen konnten. Aus einer gewissen Isolation heraus habe ich erkannt, wie wichtig mir menschliche Kontakte, Beziehungen, Freundschaften ausserhalb meines Berufes sind. Soll das alles wieder verloren gehen? Ich persönlich habe entschieden, aus der Krise zu lernen, aufzubrechen und nicht wieder in den alten Trott zu fallen.


Genau das erwarte ich auch von den anderen Menschen, von der Gesellschaft, von der Politik, von den Unternehmen, von der Familie. Es muss nicht alles anders werden, denn schliesslich gab es auch früher viele gesunde, spannende, angenehme, lustige Aspekte, dir es zu wahren gilt. Wir hätten jetzt die unglaubliche Chance, unser Leben, unsere Arbeit, unser Zusammenleben, den Umgang mit der Natur und den Ressourcen, den Umgang mit uns selbst und unseren Nächsten, unser Denken und unsere Werte, unsere Geschäftskonzepte und die Prozesse aktiv und bewusst zu gestalten. "Hätten" ... wenn wir nicht hadern, uns über Kleinigkeiten aufregen, andere anklagen, uns in Besserwisserei sonnen ... würden. Die ganze Kreativität, das Vorwärtsdenken scheint verloren zu gehen und das ist schade. Das Pendel hat den Schwung verloren.


Nutzen wir die Chance trotz der Verführung und dem inneren Drang, möglichst schnell die alten Zustände wiederherstellen zu wollen!


Gerne unterstütze ich Unternehmen, Organisationen aber auch Einzelpersonen im Krisenmanagement.


Krisenmanagement: Ten for Ten

Bevor wir eine wichtige Entscheidung fällen, klären wir für gewöhnlich viele Dinge ab, damit die Entscheidung schliesslich optimal ausfällt. Je mehr Fakten, Daten und Information wir sammeln, desto sicherer können wir sein…denken wir! Was wir dabei vergessen, ist die Tatsache, dass viele dieser Faktoren nicht feststehend, sondern wiederum von anderen Faktoren beeinflusst sind und sich in kurzer Zeit verändern können. Wir leben in einer dynamisch hochkomplexen Welt von unendlichen Abhängigkeiten, Einflüssen und Rückkoppelungen und so spielt eben bei jeder Entscheidung auch eine gehörige Portion Intuition mit, ob uns das gefällt oder nicht.

10 for 10

Das Zusammentragen von Fakten, Daten und Informationen für eine «sichere» Entscheidung benötigt Zeit. Zeit, die wir im Krisenfall nicht haben. Kommt ein Pilot, beispielsweise durch Turbulenzen oder technische Probleme in eine Notsituation, gibt’s nur eins: Runter und wenn’s im Hudson River ist! Hinterher zu diskutieren, ob er nicht vielleicht auf einer Autobahn sicherer hätte landen können oder auf einem Flugfeld, ist müssig. Er hat entschieden und gehandelt.


Krisen entstehen dann, wenn bisher wichtige, gültige und verlässliche Werte nicht mehr gelten und daraus subjektiv oder objektiv eine bedrohliche Situation entsteht.


In Not- oder Krisensituationen fehlt oft die Zeit für das Zusammentragen von Grundlagen für die Ideenfindung. Hier muss gehandelt werden: quick and dirty.


Die Gefahr in solchen Situationen ist, dass die verantwortlichen Menschen kopflos, überstürzt handeln und dadurch unnötige Schäden entstehen. Dies hat man bei der Rettung von Verunfallten untersucht und festgestellt, dass kopfloses Handeln bei Verunfallten oft zu zusätzlichen Schäden beiträgt.


Für schnelles, aber nicht kopfloses Handeln gibt es die Formel «Ten for Ten» oder auch «10-4-10», die fordert, dass wir uns 10 Sekunden Zeit für die Überlegung schenken, was in den nächsten 10 Minuten passieren soll. Wir «verlieren» zwar 10 Sekunden, gewinnen aber überlegtes Handeln. Natürlich sind die 10 Sekunden und die 10 Minuten symbolisch zu verstehen. Bei einem Unfall sind es vielleicht 10 Sekunden für die nächsten 10 Minuten. Bei einer persönlichen Krise darf es vielleicht eine Stunde für die nächsten drei Tage sein oder bei einer wirtschaftlichen Krise eines Unternehmens möglicherweise ein Tag im Führungsgremium, für die nächsten zwei Monate. Dabei kann es sehr nützlich und hilfreich sein, wenn externe FachexpertInnen beigezogen werden, denn oft überfordern uns Krisen, weil wir zu sehr in ihnen verhaftet sind. Aussenstehende Fachpersonen haben den Vorteil, dass sie «keine Aktien im Geschäft haben», dass sie nicht in der Krise stecken und so einen besseren Überblick bewahren können.


In einer Krise sind klare, verantwortungsvolle Entscheidungen gefragt, die für den Moment gelten und zu denen sich die Verantwortlichen voll bekennen. Meistens ist es in Krisensituationen gefährlicher keine Entscheidung zu treffen, als eine «falsche». Krisen sind in der Regel dynamisch-komplexe Geschehnisse. Das heisst, dass sich die Situation laufend verändert, manchmal sehr schnell und so kann eine Entscheidung die im Entscheidungsmoment richtig war, nach wenigen Minuten, Stunden oder Tagen bereits ergänzt, verändert oder zurückgenommen werden muss.


Wenn die Krise andauert und Entscheidungen verändert werden, ist nicht die Zeit darüber zu diskutieren, weshalb die erste Entscheidung falsch oder zumindest unklug war, wer wann was dazu beigetragen hat und Schuldige zu suchen. Es muss eine neue Entscheidung her. Das ganze Geschehen aufzuarbeiten ist nach überstandener Krise wichtig. Dabei soll es wiederum nicht darum gehen, jemanden zu verurteilen und zu beschuldigen, denn wir können davon ausgehen, dass niemand am Morgen aufsteht und sagt: «heute fälle ich mal eine richtig falsche Entscheidung». Ich gehe davon aus, dass es jede und jeder gut machen will und dass «Fehler» ungewollte Resultate sind, die aus Überforderung, Unachtsamkeit oder persönlicher Not geschehen sind. Bei der Aufarbeitung geht es also um die Frage, was wir aus dieser schwierigen Situation lernen, denn die nächste Krise kommt bestimmt und wie wird wieder anders aussehen.